Ursprünglich hat Terri Lyne Carrington das Stück für ein 100-köpfiges Orchester geschrieben: Die viersätzige Komposition „Seen/Unseen“, eine Auftragsarbeit des Massachusetts Institute of Technology (MIT), geht zurück auf die Erschütterung, die der Tod von George Floyd ausgelöst hat. Im Mai 2020 wurde Floyd in Minneapolis bei einer Straßenkontrolle von Polizisten auf brutale Weise getötet. Weil dieses Verbrechen per Handy gefilmt und anschließend ins Netz gestellt worden ist, löste es zunächst eine Schockwelle aus – und wenig später Unruhen nicht nur in den USA. Für ihr darauf bezogenes Projekt hat sich die hochgerühmte Komponistin, Schlagzeugerin und Aktivistin Carrington mit der Videokünstlerin Mickalene Thomas zusammengetan.

Mit ihren Bildern reagiert Thomas auf die Musik wie eine Instrumentalistin, rhythmisch, improvisierend, die Themen weiterführend: Beispielsweise werden Aufnahmen des Alltagslebens und der Kultur Schwarzer Bürger:innen mit Visualisierungen von Sklaventransporten und Misshandlungen gekoppelt, Vergangenheit und Gegenwart in einen suggestiven Klang- und Bildfluss gebracht. Kunst ist hier nicht L’Art pour l’art, sondern ein Spiegel der aktuellen Ereignisse und ein Mittel der Selbstermächtigung.